
Er ist wieder da, Saša Kalajdžić. Der Österreicher soll Eintracht Frankfurt wieder mehr Tore garantieren. In der vergangenen Saison wirbelte dort Randal Kolo Muani quasi im Alleingang durch die Strafräume der Bundesliga. Nach seinem hundertmillionenschweren Transfer in die französische Hauptstadt kam bisher Omar Marmoush diese Aufgabe zu, der ablösefrei aus Wolfsburg gekommen war. Nach dem Muani-Transfer stockte das Offensivspiel der Frankfurter zwischenzeitlich. Doch der Ägypter steht mittlerweile wettbewerbsübergreifend bei zwölf Treffern für die Hessen. Er vertritt allerdings, ebenso wie seine Teamkollegen Ellyes Skhiri (Tunesien) und Farès Chaïbi (Algerien), sein Land beim Afrika-Cup und fehlt mindestens drei Spiele.
Um das aufzufangen, bedienten sich die Frankfurter nach Donny van de Beek ein weiteres Mal in der Premier League. Saša Kalajdžić wechselt auf Leihbasis für sechs Monate von den Wolverhampton Wanderers an den Main. Anders als beim Niederländer, konnten sich die Frankfurter für den Mittelstürmer keine Kaufoption sichern. Der gebürtige Wiener erhofft sich durch die Leihe vor allem eines: Spielpraxis. Denn Kalajdžić, der sich vergangenes Jahr in seinem ersten Spiel für die Wolves das Kreuzband riss, kam nach seiner überstandenen Verletzung nicht wirklich zum Zug. Nur 160 Minuten durfte er in der Premier League ran, in der ihm immerhin zwei gewinnbringende Tore gelangen. An Effektivität hat er also anscheinend nicht eingebüßt, was Dino Toppmöller freuen dürfte.
Der Trainer der Eintracht verspricht sich sehr viel vom groß gewachsenen Neuzugang. Ziemlich genau zwei Meter misst der Österreicher, der in seiner ersten Bundesliga-Amtszeit vor allem durch Kopfballstärke zu überzeugen wusste. Die Hälfte seiner 22 Bundesligatore für den VfB erzielte er mit dem Kopf. Damals bildete Kalajdžić zusammen mit Borna Sosa ein kongeniales Duo und ließ die Schwaben kurzzeitig von Europa träumen. Doch kann man den Hünen in Frankfurt genauso gut in Szene setzen?
Die Frankfurter Offensive bisher ideenlos
Das Angriffsspiel der Eintracht wird seit Jahren durch die Außenspieler geprägt. Doch seit dem Abgang von Filip Kostic fehlt es eben diesen merklich an Durchschlagskraft. Der Serbe ackerte 90 Minuten lang die Linie hoch- und runter, um Flanke um Flanke in den Strafraum zu dreschen. Auch unter Toppmöller laufen 75 Prozent der Angriffe über die Außenbahnen, jedoch schlägt man die wenigsten Flanken aller Bundesligisten. Das ist jedoch nicht das einzige Problem. Ligaweit verzeichnet Frankfurt die wenigsten Torabschlüsse (173) und kreiert aus dem Spiel heraus die zweitwenigsten Chancen (213). Auch in der Luft ist Frankfurt bisher alles andere als unbezwingbar. Nur knapp 42 Prozent aller langen Bälle kommen überhaupt beim Mitspieler an und mit 45 Prozent gewonnener Luftduelle stehen die Adler auch hier auf dem 18. Platz. Die Eintracht hat oft den Ball und spielt viele Pässe, aber der Mannschaft mangelt es an Kreativität und Durchschlagskraft. Da nun auch noch Omar Marmoush und Farès Chaïbi fehlen, muss Dino Toppmöller sein System an Saša Kalajdžić anpassen.
Mit Kalajdžić hat man wieder einen abschluss- und kopfballstarken Zielspieler à la Sébastien Haller oder André Silva vorne drin. Die neue Nummer 9 kommt weder bullig noch rasant daher, doch er weiß seinen schlaksigen Körper gut einzusetzen. Gekonnt pflückt er immer wieder Bälle aus der Luft und verteilt diese an seine Mitspieler oder verwertet sie kaltschnäuzig. Der Österreicher zeichnet sich nicht nur durch einen guten Riecher aus, sondern gestaltet das Spiel mit klugen Pässen und Laufwegen schon weit vor dem Tor mit.
Mehr als nur Marmoush-Ersatz
Auch Toppmöller schwärmt von ihm, er sei „extrem spielstark und spielschlau“ und würde der Eintracht „viele Elemente“ bringen, die dem Spiel weiterhelfen. Es fällt sofort auf, dass Kalajdžićs Stärken genau da liegen, wo Frankfurt bisher Schwächen hatte. Der Trainer muss seine Taktik verändern, wenn Kalajdžić Tore schießen soll. Gefragt sind vor allem die Flügelspieler. Mit Philipp Max, Aurélio Buta sowie den aufstrebenden Niels Nkounkou und Ansgar Knauff stehen genug Flügelverteidiger im Kader, die das Potential und die Qualitäten haben, Teil eines neuen Traumpaars à la „Sosa-Saša“ zu werden. Gerade Philipp Max hat zu seinen besten Zeiten in Augsburg gezeigt, wie Tore per Flanke vorbereitet werden. Zwischen 2017 und 2020 legte er 26 Tore für die Fuggerstädter auf. Was den Frankfurter Fans außerdem Hoffnung machen kann, ist die Tatsache, dass ausgerechnet im letzten Spiel des Jahres, gegen Borussia Mönchengladbach, zwei Spielzüge über die Außenbahnen zum Torerfolg führten. Beide Male wetzte Nkounkou über den linken Flügel und konnte sich am Ende als Vorbereiter feiern lassen.
Gelingt es Toppmöller diesen Trend fortzusetzen, wird der Ex-Stuttgarter seine Tore schießen. Und das muss er auch. Denn die Not in Frankfurt ist groß. Mit dem Wegfall Omar Marmoushs gibt es im Kader der Eintracht keinen zuverlässigen Torjäger mehr. Lucas Alario verabschiedete sich zuletzt nach Brasilien, Neuzugang Jessic Ngankam hing bisher komplett in der Luft, die beiden jungen Stürmer Nacho Ferri und Noel Futkeu gelten als Aktien für die Zukunft und Mario Götze fiel in den letzten Jahren nicht als Goalgetter auf. Für Toppmöller heißt es also: „Kalajdžić oder nichts!“ Dem Österreicher wird das gefallen, will er sich doch für die von Ralf Rangnick trainierte Nationalmannschaft empfehlen, um im Sommer bei der EM in Deutschland zu spielen.
Was passiert, wenn Marmoush vom Afrika-Cup zurückkehrt? Spannende Frage. Denn ihre Spielweisen könnten kaum unterschiedlicher sein. Doch das ist keinesfalls ein Problem. Der Österreicher bringt den Adlern die gewünschte Variabilität im Angriff und kann den Adlern zu neuer Lufthoheit verhelfen. Schaut Dino Toppmöller in den Süden des Landes, wird er hoffen, dass die beiden Stürmer genauso gut harmonieren, wie Guirassy und Undav es zuletzt für den VfB getan haben. Gelingt es Frankfurt den Zwei-Meter-Mann in Szene zu setzen, kann er zu einem neuen Highlight an der Skyline der hessischen Metropole werden.
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