Wir sind Hoffe! - Hoffenheims neues Vereinslied 11FREUNDE

December 2024 · 3 minute read

Jetzt ist es soweit, auch die TSG 1899 Hof­fen­heim hat ein Ver­eins­lied. Direkt nach dem Badener-Lied dröhnt es seit der Rück­runde vor Spiel­be­ginn durch die nigel­na­gel­neue Arena. Beim Aka­de­miker-Fan­club Hof­fen­heim stößt der Song von den »Rhein-Neckar Helden« auf Zustim­mung. Aber als auf­klä­re­ri­scher Leucht­turm im Dunkel der Fuß­ball­kultur können wir die »Rezen­sion« der Aka­de­miker Hof­fen­heims nicht ohne eigenes Urteil stehen lassen. Selbst wenn wir damit alle beide ver­är­gern.

Liebe Zuschauer im Tele­kolleg, schauen wir uns den Text doch einmal genauer an:

Hoffe, Hoffe! Wir sind Hoffe!
1899 Hof­fen­heim.
Wir kämpfen, siegen, geben nie­mals auf,
super Hoffe TSG!

Hoffe, Hoffe! Wir sind Hoffe!
In den Farben Blau und Weiß
1899 Super­hof­fen­heim
Nur damit es jeder weiß!

Schon der Beginn des Refrains ver­weist deut­lich auf die Her­kunft der Hof­fen­heimer – sinn­gemäß das Nichts. Diese Unzu­läng­lich­keit macht eine selbst­be­wusste Vor­stel­lung not­wendig. Als Trichter der Homo­ge­nität für ein hete­ro­genes Gebilde wie die Fan­ge­mein­schaft der TSG dient dabei der ein­heits­bil­dende Neo­lo­gismus »Hoffe«. In seinem necki­schen Klang ein­deutig an den großen Wort­schöpfer unserer Zeit, Ailton, ange­lehnt (»Schieße Tore viel, hoffe, hoffe Meis­ter­schaft für das Werder!«).

Die Inten­tion des Refrains fasst im Übrigen der letzte Vers tref­fend zusammen: Es geht um eine Art Täter­profil, eine Beschrei­bung dieser unbe­kannten Truppe mit den vielen Namen (»Hoffe«, »1899«, »TSG«, »Hof­fen­heim«, »Super­hof­fen­heim«, »Tra­di­ti­ons­verein«), kurz: Es geht um den Aus­gang des Fuß­ball­fans aus seiner selbst­ver­schul­deten Unmün­dig­keit, um Auf­klä­rung. Wenn Anhänger anderer Ver­eine jemanden sehen, der blau­weiß ist, kämpft, siegt, trotzdem (sic!) nie­mals auf­gibt und Geräu­sche wie die Loko­mo­tive Emma aus der Augs­burger Pup­pen­kiste von sich gibt (»Hoffe, Hoffe, Hoffe…«), dann han­delt es sich um dieses unbe­kannte Völk­chen der Hof­fen­heimer. »Nur damit es jeder weiß!«

Viel mehr als diese Erkennt­nisse ist im Sub­text nicht zu finden (Ach­tung: Ent­gegen weit ver­brei­teter Annahmen ist mit »Sub­text« nicht das Klein­ge­druckte am unteren Ende des Text­blattes gemeint!).

Bezug zur Geburts­si­tua­tion des Säug­lings

Auch die spär­lich ein­ge­streuten Verse dienen vor allem der Iden­ti­täts­stif­tung:

Unser Stolz, unsere Heimat, unsere Liebe Hof­fen­heim,
der Kraichgau tobt und wir sind mit­ten­drin, und stimmen alle ein:

[…]

In der Rhein-Neckar-Arena sind wir daheim,
mit den besten Fans im Rücken, da heizen wir euch ein.

In unreinen Paar­reimen wendet sich der Text an »Hoffe«-Anhänger und andere Fuß­ball­fans glei­cher­maßen. Unter­stützt wird dieser appel­la­tive Cha­rakter durch die durchaus unge­wöhn­liche Kom­bi­na­tion von Jamben, getra­genen Hebungen (Rhaainn-Näck­aaarr-Areeen­naaaa) und allem, was sich weit ent­fernt von Alex­an­driner und Hexa­meter auf­hält. Die dadurch ent­ste­hende Unruhe im Versmaß unter­streicht die Bot­schaft eines »tobenden« Kraich­gaus und dem »Ein­heizen« des Geg­ners.

Inter­es­sant ist an den Stro­phen vor allem zwei­erlei: Zum Einen der nach Freud deut­lich zu erken­nende Bezug zur Geburts­si­tua­tion des Säug­lings (»der Kraichgau tobt und wir sind mit­ten­drin«), was Unschuld sug­ge­riert und die Geschichte von »Hoffe«, dem lus­tigen Heim aus der Pup­pen­kiste, an ihren Beginn zurück­ver­setzt. Tra­di­tion ver­blasst davor, redu­ziert auf die tech­no­kra­ti­sche Zah­len­kom­bi­na­tion Acht­zehn-Neun­und­neunzig. Zum Anderen ver­än­dert sich die Appell­struktur nach­haltig im letzten Vers, der geg­ne­ri­sche Mann­schaften und Fans direkt anspricht. »Da heizen wir euch ein« wird so zur unver­hoh­lenen Dro­hung, in ihrer Schärfe ledig­lich abge­fangen durch das Mantra-artige Wie­der­holen des selbst­re­fe­ren­ti­ellen Refrains.

Ein Stück deut­sches Liedgut, gefangen in der Ambi­va­lenz eines Anspruchs auf Ein­zig­ar­tig­keit, der durch Wie­der­ho­lungen und Ver­wech­sel­bar­keit mit jedem anderen Ver­eins­lied schei­tern muss. Doch: »Wer immer stre­bend sich bemüht, den können wir erlösen.« Wir danken für die Auf­merk­sam­keit.

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