Dieser Text erscheint im Rahmen unserer Kooperation mit dem Tagesspiegel.
Exakt drei Jahre und einen Tag ist es her, dass Hertha BSC zuletzt ins Wintertrainingslager nach Florida geflogen ist. Orlando war damals das Ziel; nach Bradenton an der Westküste des US-Bundesstaates geht es diesmal. Seit dem Januar 2020 ist viel passiert. Im Grunde ist von Hertha BSC nicht viel mehr geblieben als der Vereinsname.
Der Präsident? Ein anderer. Die Geschäftsführung? Eine andere. Der Trainer? Ein anderer. Die Mannschaft? Zu großen Teilen ebenfalls eine andere.
„Kein Problem für uns“
Gerade mal fünf Spieler aus dem aktuellen Kader standen auch schon vor drei Jahren und einem Tag bei Hertha unter Vertrag. Vier von ihnen – Maximilian Mittelstädt, Peter Pekarik, Dodi Lukebakio und Jessic Ngankam – sind am Dienstag ins Flugzeug in die USA gestiegen. Marvin Plattenhardt, der Kapitän des Berliner Fußball-Bundesligisten, blieb in Berlin. Gezwungenermaßen.
Plattenhardt darf nicht in die USA einreisen, weil er nicht über die nötigen Impfungen gegen das Coronavirus verfügt. „Wir haben das Thema im Vorfeld besprochen“, sagt Herthas Trainer Sandro Schwarz. „Das ist kein Problem für uns.“ Während des Aufenthalts der Profis in der IMG Academy unter der Sonne Floridas (bis zum 14. Januar) trainiert Plattenhardt im grauen Berlin mit der U 23 des Klubs, anschließend soll er wieder zum Team stoßen.
Corona war beim letzten Trainingslager in den USA noch kein Thema. Was das Virus im Fußball allgemein und bei Hertha im Besonderen anrichten würde, das konnte sich demnach auch niemand vorstellen. Der Klub lebte gewissermaßen in den Tag hinein, als gäbe es kein Morgen. Der Besuch der Mannschaft auf der Luxusjacht des Investors Lars Windhorst an Floridas Golfküste lieferte die passenden Bilder zum Selbstverständnis des Klubs.
Reise in die Vergangenheit
„Berlin muss groß denken, nicht schüchtern sein“, hat Jürgen Klinsmann, der damalige Trainer, beim Aufenthalt in Orlando vor drei Jahren gesagt. Entsprechend fiel die Transferpolitik des Klubs aus. Big Picture hat Klinsmann das genannt. Kein Verein weltweit gab im Winter 2020 so viel Geld aus wie Hertha BSC, fast 80 Millionen Euro. Das Beuteschema: Spieler von internationalem Kaliber.
Inzwischen ist vieles anders, auch Windhorst schon wieder so gut wie Geschichte. Die Ansprüche des Vereins haben sich verändert, wenn man überhaupt noch von Ansprüchen reden kann. Der Mangel diktiert die Personalpolitik, nicht wie vor drei Jahren der Überfluss.
Mit Vladimir Darida (2,5 Millionen Euro Jahresgehalt) und Davie Selke (zwei Millionen) hat der Klub in der Winterpause zwei Großverdiener von der Gehaltsliste bekommen. Konsolidierung ist das Gebot der neuen Zeit. „Es wird ein Prozess sein, den Leuten immer wieder klarzumachen, dass wir unsere Erwartungen an die Realität anzugleichen haben“, hat Kay Bernstein, der Präsident des Klubs, kurz vor dem Jahreswechsel der Deutschen Presse-Agentur gesagt.

Niederlechner und Reese kommen ablösefrei
Hertha kann bei den Neuverpflichtungen nicht mehr wahllos ins obere Regalfach greifen wie noch zu Klinsmanns Zeiten. Internationales Kaliber war einmal. Zur neuen Saison kommen nach Informationen des Fernsehsenders Sky Florian Niederlechner, 32, vom Bundesligavierzehnten FC Augsburg, und Fabian Reese, 25, der für den Zweitligisten Holstein Kiel in dieser Spielzeit fünf Tore erzielt und vier vorbereitet hat.
Beide kommen im Sommer ablösefrei. Bei Reese, der einen Vertrag bis 2027 erhält, verhandelt Hertha aber offenbar noch über einen Wechsel in diesem Winter. Er könnte die Lücke schließen, die durch den Weggang von Davie Selke in Herthas Offensive entstanden ist.
Zum Tross der Berliner, der am Dienstag über Frankfurt am Main nach Orlando geflogen ist, zählte Reese noch nicht. 24 Feldspieler und vier Torhüter waren an Bord, darunter auch der erst 17 Jahre alte Pascal Klemens, Innenverteidiger aus Herthas U19. Spieler aus dem eigenen Nachwuchs sollen künftig eine größere Rolle bei den Berlinern spielen. Mehr machen aus dem, was vorhanden ist: Das wird jetzt erst einmal der Auftrag für Trainer Sandro Schwarz sein.
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